Prozess-orientierte Komaarbeit nach Arnold Mindell
Prozess-orientierte Komaarbeit ist eine Methode zur Kontaktaufnahme, Begleitung und Kommunikation von Menschen im Koma, Wachkoma, minimalem Bewusstseinszustand und anderen zurückgezogenen Zuständen.
Grundannahmen
Nach Arnold (1989) und Amy Mindell (2000) befinden sich Menschen im Koma - auch unter künstlicher Beatmung und Sedierung – nicht in einem Zustand ohne Wahrnehmung oder Bewusstsein, sondern in einem mitunter stark veränderten Bewusstseinszustand. Ihr Potential für Bewusstheit und der Hörsinn existieren, solange ihr Herz noch schlägt. Menschen im Koma werden nicht nur als körperlich krank und hilfebedürftig angesehen, sondern gehen – wie die Arbeit mit Komapatienten immer wieder zeigt – auch durch für ihr Leben wichtige Erfahrungen und Prozesse hindurch, die nach größerer Bewusstheit und Vollendung streben. Selbst in solch zurückgezogenen und veränderten Bewusstseinszuständen können Menschen, wenn auch teils minimal ihre Sinne gebrauchen, um sich selbst und ihre Umwelt wahrzunehmen. Jegliche, auch minimale, vermeintlich zufällig auftauchende Signale des Patienten, seien es kleinste Bewegungen, Muskelreaktionen, Atemgeräusche oder Veränderungen der Hautfarbe, werden als potentiell bedeutsam und als möglicher Ausdruck einer nach Bewusstsein strebenden Erfahrung gesehen. Diese Signale können zur Kontaktaufnahme, Begleitung und Kommunikation genutzt werden.
Da Bewusstseinsprozesse in enger Verbindung zu körperlichen Prozessen stehen, kann prozess-orientierte Komaarbeit auch zur Rehabilitation beitragen.Menschen im Koma bedürfen neben der grundlegenden medizinischen und pflegerischen Versorgung auch eine menschliche, psychologische oder auch spirituelle Unterstützung und Begleitung.
Ziele
Prozess-orientierte Komaarbeit zielt nicht in erster Linie darauf Menschen aus dem Koma zu erwecken, wenngleich dies manchmal geschieht, sondern vorrangig darauf sie zu ermutigen, ihren eigenen Erfahrungen zu vertrauen, sie in der Wahrnehmung ihrer selbst und der Umwelt zu unterstützen. Es geht darum Kontakt herzustellen, Kommunikation aufzubauen und dadurch intensive Begleitung zu ermöglichen. Es gilt die Teilhabe der Patienten am sozialen Miteinander zu fördern und sie soweit möglich in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Methoden
Es existieren einerseits leicht erlernbare Methoden, die unmittelbar von Familienangehörigen und Freunden gelernt und angewendet werden können, und andererseits komplexere, die von ausgebildeten Begleitern umgesetzt werden. Eines der wichtigsten Konzepte der angewendeten Methoden beruht auf Verstärkung von Signalen. Eine erste allgemeine Form der Verstärkung besteht darin, dass selbst die kleinsten Signale als Träger von Information des Patienten vom Therapeuten achtsam wahrgenommen und willkommen geheißen werden. Sie werden aufgegriffen und dem Patienten verbal bestärkend rückgemeldet. Weiterhin kann es hilfreich sein, die Atmosphäre oder die in der Begegnung wahrgenommene Qualität in Worten, Bildern oder Tönen zum Ausdruck zu bringen und auf diese Weise zu verstärken. Die wiederholte Unterstützung und Ermutigung, den Erfahrungen im Koma zu trauen und zu folgen, sind wesentlich. Spezifischere Ansätze in frühen Phasen können z. B. das Einstimmen auf und das Sprechen im Atemrhythmus des Patienten oder das Verstärken von Körpersignalen oder -bewegungen durch sanftes berühren, mitbewegen oder auch leichten Widerstand sein. In fortgeschritteneren Entwicklungen kann u.U. auch eine beidseitige Kommunikation aufgebaut werden. Die Begleitung und die Verstärkung von Signalen folgen dabei sehr präzise dem vom Therapeuten wahrgenommenen Feedback des Patienten.
Fazit
Prozess-orientierte Komaarbeit nach Mindell ist nicht nur in Prozessen wie Koma, Wachkoma und minimalen Bewusstseinszuständen, sondern auch in anderen nonverbalen und veränderten Bewusstseinszuständen wie in Formen der Demenz, Delirium, Autismus oder in Sterbeprozessen hilfreich. Sie kann dazu beitragen, erlebte Isolation oder Hilflosigkeit seitens Patienten, Angehörigen oder Pflegenden erheblich zu vermindern und einer sich vertiefenden Begegnung Raum zu geben. Text: Peter Ammann, Info@PeterAmmann.de| www.Peter Ammann.de. Der Text wurde durch uns leicht gekürzt.